Die meisten Menschen setzen sich Ziele im Leben. Aber damit allein ist es nicht getan, man muss etwas dafür tun – handeln. Und genau das hat Walter Treser in seinem bewegten Leben getan. Er ist Ingenieur für Kraftfahrzeugbau und Flugzeugbau, war Rennfahrer, Sportchef bei Audi und Opel, Projektleiter und Namensgeber des Audi quattro und schließlich selbstständiger Automobil-Unternehmer mit eigenem Tuningbetrieb in Ingolstadt und Sportwagenbau in Berlin.
Heute wollen wir mit ihm über seine wichtigsten Meilensteine im Leben reden.

GM: Als „Entwicklungsauftrag 262“ startete im Frühjahr 1977 das Allrad Projekt. Sie sind als Projektleiter zusammen mit Entwicklungsvorstand Dr. Ferdinand Piëch und dem Fahrwerk-versuchsleiter Jörg Bensinger, die Väter des quattro Antriebs.
Unter welchen Bedingungen entstand die quattro – Idee bei Audi? Es begann ja im Geheimen.

WT: Es begann tatsächlich alles sehr geheim und auch sehr klein. Die genannte Entwicklungsnummer
und ein Budget gab es erst viel später. Als Jörg Bensinger nach eindrucksvollen Testfahrten mit einem vierradgetriebenen Iltis aus dem finnischen Schnee zurück kam, versprach er, mit mehr Power „alle zu verblasen“. Ich wollte aber keinen Über-Iltis, sondern ein schickes, starkes und sportliches Coupé mit Allradantrieb. Und so bauten wir, ohne viel darüber zu reden, den ersten Prototyp. Wir hatten von Anfang an große Ambitionen. Dass daraus dann die Idee wurde, die Audi und die ganze Autowelt veränderte, ahnten wir aber erst später.

Apropos Geheimprojekt: War die Entstehung des Audi 80 Avant nicht auch eine verdeckte Aktion?

Das stimmt. Audi war damals in seinen Produktentscheidungen noch stark von VW abhängig und wollte, um den Passat Variant zu schützen, nicht, dass Audi einen Kombi auf Audi-80-Basis baut, und hat es verboten.
Ich hatte inzwischen aber bereits meine eigene Firma, und so verabredeten Piech und ich, bei mir einen
80 Avant zu bauen. Wir nannten ihn TreserAudi Avantgarde und stellten ihn auf meinen Stand auf der IAA.
Die Händler waren begeistert und VW musste schließlich zustimmen.

Sie waren auch der Namensgeber des quattro. Welche Rolle spielte da ein Parfüm von 4711? Nochmals vielen Dank dafür.

Ich suchte lange nach einem Namen, der gleichzeitig zum Gattungsbegriff für alle Allrad-Audis werden sollte. Mir fiel „quadro“ ein, das international für Quadrat oder Vier verstanden wird. Piëch schlug dann vor, es mit Doppel-t zu schreiben, was noch sportlicher klingt.
Problematisch war nur, dass die Entscheidungsgewalt für Namen in Wolfsburg lag. Und dort wollte man unbedingt „CARAT“. In der entscheidenden Sitzung holte ich ein Fläschchen Parfüm aus der Tasche und sagte “Ihr werdet doch unser schönes Auto nicht mit dem Namen
eines Hausfrauenparfüms verunstalten.“

Wie wichtig war der Einstieg in den Motorsport für die Produktion des Serienfahrzeugs?

Ich denke, das war ganz entscheidend. Die ganze Welt baute Autos nur mit Einachsantrieb. Zudem gab es vor uns schon ein paar Fahrzeuge mit Allradantrieb, die aber alle nicht erfolgreich waren. Es galt also zu be-weisen, dass wir eine bessere Lösung hatten. Und was wäre besser ge-wesen, als der Welt im Motorsport die quattro – Überlegenheit zu zeigen, auf Schnee und Eis, Schotter und Asphalt.

Sie waren maßgeblich an der Entwicklung des Audi quattro beteiligt. Als es dann mit der Serienproduktion weitergehen sollte, entschied Piëch, dass sie die Projektleitung dafür abgeben und für den Audi Motorsport verantwortlich sein sollten. War das für sie der nächste logische Schritt oder wären sie lieber bei der Serienproduktion federführend geblieben?

Mein Traum war es von Kind an, Motorsport zu betreiben. Da war es nur folgerichtig, mit dem quattro jetzt auch den Schritt auf die Rallyepisten zu machen.

Wieso hatten die Fahrer zu Beginn Probleme mit dem Allrad?

Obwohl wir glaubten, an alles gedacht zu haben, war doch sehr viel Neuland dabei. Das Auto war groß, kopflastig und neigte trotz dreier Differentiale zum Untersteuern. Dazu ein drehmomentstarker Motor mit riesigem Turboloch: Es gehörte schon viel Mut und Talent dazu, das zu beherrschen. Nur Walter Röhrl konnte das auf Anhieb.

Wie brachten Sie den „Schwarzen Vulkan“ in das Werksteam von Audi?

Nachdem Röhrl beim ersten Anlauf, ihn für das Werksteam zu gewinnen, abgesagte, wollten wir die Internationalität unseres Engagements de-monstrieren. Ich fand die Kombination des erfahrenen kühlen Blonden mit den blauen Augen, Hannu Mikkola, und der heißblütigen Michèle Mouton mit den braunen Augen und schwarzen Haaren für äußerst attraktiv. Zudem war es spannend zu sehen, wie sie der Männerwelt zeigte, zu welchen Leistungen sie fähig war. Großartig!

On the road mit dem Treser quattro roadster – einem der ersten Meilensteine der Firma Walter Treser GmbH – Automobiltechnik und Design

1982 machten Sie sich mit ihrer Firma Walter Treser GmbH – für Automobiltechnik und Design selbstständig. Wie war hier die Erfahrung, ohne große Ressourcen wie bei Audi Fahrzeuge und Tuningteile zu entwickeln und zu finanzieren?

Ich hatte schon eine gewisse Bekanntheit, gute Ideen und fand auf Anhieb gute Mitarbeiter, die
den gleichen Leistungswillen hatten. Der Verkaufserfolg der schwarzen Treser Rückleuchten half mächtig den Anfang zu finanzieren.

Als erstes Auto bauten Sie einen Audi quattro komplett um. Danach folgte gleich das nächste ehrgeizige Projekt: einen quattro Roadster mit vollversenkbaren Hardtop-Klappdach. Die Lösung wurde patentiert, lange bevor z.B. Mercedes mit dem SLK folgte. Wieso haben Sie sich für ein versenkbares Hardtop entschieden?

Meine Vision war es, den Komfort eines geschlossenen Coupés mit dem Vergnügen des offenen Cabrios
zu verbinden. Dabei sollte das Hardtop ganz einfach wie ein großes Schiebedach per Knopfdruck verschwinden. Die Konzeptidee wurde dann tatsächlich von fast allen Automobilherstellern weltweit übernommen.

Im selben Jahr entstanden bereits die ersten Skizzen für ihr „Jugendauto“,den Treser T1. 1985 gründeten Sie dann Ihre zweite Firma, die Walter Treser GmbH in Berlin. Die Prototypen Treser T1 Cabrio und T1 Coupè wurden 1987 auf der IAA vorgestellt. Das Interesse war groß. Sie haben beim T1 Ihr Wissen und Können als Ingenieur für Kraftfahrzeugbau und Flugzeugbau perfekt kombiniert. Was zeichnet den T1 aus?

Er verkörpert für mich das Ideal für junge und jung gebliebene Autofans: kompakt, handlich, leicht und aerodynamisch, mit ausreichend Leistung und einem Mittelmotor, wie es sich für richtige Sportwagen gehört. Eine schicke, eigenständige Karosserie, Alu-Rahmen und Komponenten aus dem großen Audi/VW-Baukasten für überschaubare Kosten. Geplant als Coupé, Klappdach-Cabrio und sportlicher Roadster.

Treser T1

Hat das Konzept andere Automobilhersteller beunruhigt und/oder wurden Ihnen da auch Steine in den Weg gelegt?

VW war aufgeschlossen und hilfreich. Der Vertrieb sollte exklusiv über VW Händler erfolgen.

1988 kam die motorsportliche Variante der T1 Baureihe, der TR1, im Hydro Aluminium – Cup als Vorrennen in der DTM zum Einsatz. War dies einer der wichtigsten Meilensteine in Ihrem Leben?

Am 29. Mai 1988 starteten 18 Treser Autos in einem eigenen Treser Cub auf der Avus in Berlin, wo auch meine Fabrik entstand und die Autos gebaut wurden, und ich war selbst dabei. Am Start war ich letzter, im Ziel fünfter, direkt hinter Tom Kristensen, der damals sein erstes internationales Rennen fuhr. Es war der vielleicht schönste Tag meines Lebens.

Was viele vielleicht nicht wissen: Sie waren Sportchef bei Opel in der DTM. Was hatten Sie mit der Entwicklung des Calibra zu tun?

Nachdem die Finanzierung meiner großen Träume platzte, war meine neue Herausforderung, Opel mit dem Callibra in die DTM zu bringen. Der bekam selbstverständlich Vierradantrieb, sequenzielles Getriebe, hydraulische Ventilsteuerung und alles was technisch möglich war.
Mit Keke Rosberg und Klaus Ludwig hatten wir auch dort ein wahres Dreamteam.

Wie war der Schritt von der Rallye zur Rundstrecke?

Auch wenn die Anforderungen an die Fahrzeuge verschieden sind; die technischen Herausforderungen sind gleich: Das Auto muss leicht, gut fahrbar und zuverlässig sein. Im Rallyesport kommen die große Band-breite und Vielseitigkeit hinzu. Im Rundstreckensport die Perfektion.

Gab es Unterschiede zwischen Audi und Opel an Dinge heranzugehen?

Audi war damals noch klein, kurze Wege und eine eingeschworene Truppe, die vieles ermöglicht hat.
Und es gab Ferdinand Piëch.
Opel war als Tochter der riesigen GM weniger beweglich, aber auch hier gab es tolle Mitarbeiter, die
halfen, Berge zu versetzen.

Die Leidenschaft Sachen zu entwickeln, zu verbessern liegt Ihnen
im Blut. Was schlummern da noch für Ideen und Visionen?

Ich war Rennfahrer, Rennleiter, Autoentwickler und Autobauer, aber eigentlich immer nur Auto-Fan. Ich hatte das Glück, dies alles ausleben zu können. Heute bin ich 77 und beobachte alles mit viel Interesse, aber mit Abstand.
Ich sehe die deutsche Autoindustrie vor der Herausforderung, die richtige Balance zu finden,zwischen modernen Möglichkeiten durch autonome und elektrische Mobilität und der Freude am Besitz eines Fahrzeugs und am Fahren. Mein Lebensmotto war Autovergügen. Und das gilt es zu bewahren.

Walter Treser, vielen Dank für das interessante Interview!

Mehr über Walter Treser und sein Leben erfahrt Ihr auf der Website
des Treser Clubs e.V.